NWZ – 29.10.2013 – Andreas R. Schweiberer
Lange ist es her, dass das Requiem von Giuseppe Verdi in Oldenburg erklang. Jetzt, nach vielen Jahren, fanden sich unter der Leitung von Johannes von Hoff etwa 150 Musiker zusammen, um dieses vom Äußeren wie vom Gehalt her riesige Werk eindringlich und in jeder Hinsicht angemessen aufzuführen. Die Ansgari-Kantorei, der Oldenburger Kammerchor und das Ansgari-Orchester intonierten die „Messa da Requiem“ als das, was sie ist: als dramatisch aufgeladenes, Anleihen bei der italienischen Oper nicht scheuendes, Oratorium. All der großartig artikulierte melodische Fluss, der farbige Reiz, diente allein einem gesteigerten Ausdruck.
Flehen nach Erlösung
Mit opernhaften ariosen Einschüben, vorgetragen von Marietta Zumbült (Sopran), Franziska Gottwald (Mezzosopran), Mirko Roschkowski (Tenor) und Thomas Laske (Bass), gewann das kraftvoll-vitale Werk Vielschichtigkeit, konnte das Auditorium innerlich Luft holen nach den scharfen, verstörenden Dissonanzen des allgegenwärtigen „Dies irae“. Gegen diesen Tag des Zorns und der Schrecknisse kämpfte sich wie in einem dramatischen Schauspiel mehr und mehr das verzweifelte Flehen nach Erlösung, nach ewiger Ruhe, durch. Wenn auch am Ende die Musik versöhnlich ausklingt, so überwog, auch von der interpretatorischen Anlage her, das Schrille, Grässliche, Bedrohliche, die existenzielle Angst, die Verdi wie in seinen Opern unnachahmlich in bedrängend realistische Musik zu fassen vermag.
Emotional aufgeladen
Bei all den aufgepeitschten Schrecknissen und Ängsten, die der letzte Tag und das drohende Gericht mit sich bringen, liegt die Kernaussage im „Salva me“ (Rette mich /lass Gnade walten). Solisten, Chor und Orchester agierten hier mit schier unfassbarem Nachdruck und mit einer Kraft der Beschwörung, die den Verstorbenen (Verdi schrieb die ersten Teile für Rossinis Jahresgedenken, das ganze Werk zum Jahresgedenken für Manzoni) retten sollen. Das klang so theatralisch, so opernhaft emotional aufgeladen, so voller weltlicher Harmonien, mit einem so prägnant katholischen Gestus, dass der protestantisch-norddeutsche Rahmen fast ein wenig surreal anmutete. Aber es zeigte auch, wie erfolgreich sich alle Beteiligten, allen voran Johannes von Hoff mit einem ebenso souveränen wie emotionalen Dirigat, dem Ausdrucksgehalt fast kongenial anzunähern wussten.
Nach dem Verklingen der letzten Töne erklang das Geläut der Ansgari-Kirche. Nach einigen Augenblicken der Ruhe und Einkehr gab es verdientermaßen langanhaltende, stehende Ovationen.
Quelle: https://www.nwzonline.de/kultur/verdis-requiem-voller-ausdruck_a_9,4,1096509806.html